CHRONIK

des Turn- und Sportvereines Seltmans-Sibratshofen e.V.

zum

100-jährigen Bestehen 1922 - 2022


Politische Umstände Anfang der 1920er Jahre

von Bianca Hauck

1922 war ein Jahr, in dem die Folgen des 1. Weltkrieges noch deutlich zu spüren waren. Deutschland konnte die Reparationsleistungen nicht mehr zahlen und Walther Rathenau erwirkte einen Zahlungsaufschub. Im Vertrag mit der Russischen Sozialistischen Förderativen Sowjetrepublik erfolgte ein gegenseitiger Verzicht auf die Wiedergutmachung der Kriegsschäden und Ostoberschlesien wurde an Polen abgetreten. Nach der Ermordung Walther Rathenau demonstrierten Millionen Deutsche in Protestkundgebungen und Trauerzügen. Das „Lied der Deutschen“ wird zur Nationalhymne des Deutschen Reiches erklärt.

Chronik

von Benedikt Hueber

Die Wirtschaft lag seit dem 1. Weltkrieg am Boden und es war daher kein Wunder, dass die 1919 durch Heinrich Nikolaus gegründete „Papierfabrik Seltmans“ immer mehr junge Leute zur Arbeit anzog. Heinrich Nikolaus erkannte, dass für seine Mitarbeiter ein Angebot zur Freizeitgestaltung geschaffen werden musste, welches auch ein Zusammenwachsen seiner Belegschaft fördern würde. Er wurde daher Hauptinitiator für die Gründung des Turnvereins. Am 22.11.1922 wurde der „Turnverein Seltman“ ins Leben gerufen.


Am 01.10.1919 wurde in Seltmans durch den Fabrikanten, Heinrich Nicolaus, die „Papierfabrik Seltmans“ gegründet. Die erst kleine Zahl von Betriebsangehörigen wuchs von Jahr zu Jahr. Damit wurde die Möglichkeit des Broterwerbs für viele Menschen in einer Zeit geboten, in der - wenige Jahre nach Beendigung des ersten Weltkrieges - die Wirtschaft am Boden lag und Ersparnisse durch laufende Preissteigerungen und der darauffolgenden Inflation 1923 restlos verloren gingen. Es gab also Arbeit und Brot was immer mehr junge Leute anzog, die den verschiedensten Berufszweigen angehörten.

Herr Nicolaus erkannte bald, dass die Betriebsangehörigen neben der Arbeit auch eine vernünftige Freizeitgestaltung brauchten. Sicher war diese „freie Zeit“ aus heutiger Sicht vergleichsweise gering, aber er folgerte, dass sich mit der Zeit eine gewisse Problematik ergeben könnte. Um dem entgegen zu wirken wurde er Hauptinitiator für die Gründung eines Turnvereines.

Damit wollte er auch ein außerbetriebliches Zusammenwachsen seiner Belegschaft erreichen, das beste Mittel hierzu erschien ihm im turnerischen Bereich.

In Vorgesprächen fand er großes Echo bei den Betriebsangehörigen und so wurde am 22.11.1922 im seinerzeitigen Gasthaus „Lechelmayer“ in Sibratshofen die Gründung des „Turnvereines Seltmans“ in einer einberufenen Versammlung beschlossen - also vor 75 Jahren.

Die erste Vorstandschaft setzte sich wie folgt zusammen: 1.Vorstand Wilhelm Förster, 2.Vorstand ein Herr Zimmermann (Elektromeister), Schriftführer Konstantin Rasch, Kassier Georg Frick, 1.Turnwart Hans Berghofer sen.

Schwerpunkte waren Geräteturnen und Schwerathletik (Ringen und Stemmen). Turngeräte wurden von Heinrich Nicolaus gestiftet, die Stahlkugeln von der Firma Tröger in Kempten. Federsprungbrett und Hantelgestell wurden in der Schlosserei des Betriebes hergestellt.

Des Weiteren wurde eine Satzung entworfen, in der Sinn und Zweck des Vereines, dessen Name und seine ihm gestellten Aufgaben dargelegt wurden. Ferner wurde eine jährliche Neuwahl der gesamten Vorstandschaft in der Generalversammlung verankert und darüber hinaus völlige politische Neutralität.

Vorstände in den Vorkriegsjahren waren Förster Wilhelm, Thum Josef, Ritter Xaver, dann wieder Förster Wilhelm und Schneider Karl.

Der Verein nahm im Laufe der Jahre einen großen Aufschwung, in dem die turnerischen Ideale hochgehalten wurden. Vor allem Leichtathletik fand immer mehr Interesse und war bald ein wichtiger Bestandteil im turnerischen Programm.

Den jüngeren Generationen sagen die Namen der in dieser Zeit vor dem zweiten Weltkrieg in herausragender Form wirkenden Mitglieder nicht mehr viel - doch haben diese seinerzeit dem Verein großes Ansehen mit ihrem unermüdlichen Wirken auf allen turnerischen Gebieten geschaffen.

Ich möchte nur einige Namen davon in Erinnerung bringen:

Weber Wilhelm - der heute mit fast 90 Jahren erfreulicherweise unter uns weilen kann - Aufmuth Josef, Berghofer Hans sen., Berghofer Hans jun., Dölle Alois, Direktor Wilhelm Förster, Schneider Karl, Ritter Xaver, Frick Georg, Hug Sepp, Ruf Georg, Rasch Konstantin, Salzgeber Max und noch viele mehr.

Habt Verständnis, wenn ich nicht alle nennen kann - es waren ja so viele - die mit idealer Gesinnung sich zu turnerischen Wettkämpfen zusammenfanden, die sich aber auch in besonderer Weise um den Verein verdient gemacht haben.

So wurde im Jahre 1926 das erste Turnfest abgehalten und zwar vor der längst nicht mehr stehenden, seinerzeit aber in Eigenarbeit erbauten Turnhalle im Fabrikgelände. Dabei fand der 100 m - Lauf auf der Staatsstraße vor der Fabrik statt.

Im Jahre 1927/28 wurde die erste Faustballmannschaft gegründet und in der gleichen Zeit auf dem Gelände hinter der evang. Kapelle ein richtiger Sportplatz angelegt. Dass dessen Erstellung seinerzeit von den Vereinsmitgliedern in Gemeinschaftsarbeit während der Freizeit geschaffen wurde, war eine Selbstverständlichkeit - gehört aber heute erwähnt. Vor allem auch, weil damals keine Erdbewegungsgeräte zur Verfügung standen und alles in Handarbeit geschehen musste. Idealismus und gegenseitige Hilfe war großgeschrieben.

Im Jahre 1928 nahmen Wilhelm Weber und Karl Schneider zum ersten mal beim „Deutschen Turnfest“ in Köln teil. Damals war diese eine Sensation.

1933 wieder Teilnahme in Stuttgart und später in München. Neben Wilhelm Weber und Karl Schneider nahmen noch mehrere Kameraden teil. Für Mitglieder aus einem solch kleinen Verein waren dies außerordentliche Leistungen, denn ein gewisses Leistungsniveau war ja Grundbedingung für die Teilnahme.

Allgemein gesehen florierte in den zwanziger und dreißiger Jahren das Vereinsleben recht gut. An allen möglichen Turn- und Sportfesten im Umkreis - auch mehrmals in Österreich und in der Schweiz - wurde teilgenommen. Für die Teilnehmer waren diese Veranstaltungen große Erlebnisse. Und mit der Zeit wurden die Turner und Leichtathleten von Seltmans-Sibratshofen weit über die Grenzen des Allgäus hinaus wohlbekannt. Viel war dies den eifrigen Turn- und Sportwarten jener Zeit zu verdanken.

Wir freuen uns deshalb, dass einer von diesen, unser jetziger Ehrenvorstand, Wilhelm Weber - der seinerzeit eine nicht unwesentliche Rolle spielte - heute mitten unter uns weilt. Ihm gebührt unsere besondere Ehre und unser Dank für sein Wirken in einer sehr langen Epoche.



Ein weiterer Markstein zwischen den beiden Weitkriegen war die Errichtung eines Schwimmbades in den für seinerzeitige Begriffe beachtlichem Ausmaß von 75 x 25 m. Gebaut an der gleichen Stelle des jetzigen Bades. Alle Arbeiten, auch die Erstellung der Umkleidekabinen geschahen wieder ausschließlich auf freiwilliger Basis.

Direktor Förster, der von 1933 bis 1937 als
1.Vorstand fungierte, war damals eine maßgebliche Triebfeder, um dieses Bad zustande zubringen. Wenn wir uns vorstellen, dass sämtliche Grabarbeiten sowie das Verdichten der Wände mit Holzstangen und Lehm in Handarbeit gemacht werden mussten, können wir ermessen, welche Leistungen unentgeltlich vollbracht wurden.

Ob ein Zusammenwirken ohne Lohn unter gleichen Bedingungen heute noch möglich wäre, möchte ich dahinstellen. Das Freibad war eine große Bereicherung für den Ort.

Viele Jugendliche konnten in Kursen bei Sepp Aufmuth und Konstantin Rasch das Schwimmen erlernen.

Aus heutiger Sicht müssen wir zum Schwimmbad noch bemerken, dass anfangs der 70er Jahre - nach Auflösung der Papierfabrik - durch die Initiative des Marktes Weitnau dieses Bad und ein größeres dazugehöriges Umfeld aus dem Fabrik-Areal entnommen und zu relativ günstigen Bedingungen in den Gemeindebereich übergeführt werden konnte.

Dafür sind wir dem Markt Weitnau - seinerzeit unter der Führung von Bürgermeister Lipp - heute noch sehr dankbar.

Nun nochmals zu den 30er Jahren: Der Sportplatz musste in den ersten Jahren dieses Jahrzehnts aufgelöst werden und erstand neu im Bereich des Freibades, wo heute die Badstraße verläuft (Anwesen Rummel bis Damsche).

Dann kam der 2. Weltkrieg und dieser lähmte in kurzer Zeit das Vereinsleben vollständig. Durch den Krieg und den nachfolgenden politischen Veränderungen verschwanden alle Vereine in der Versenkung - so auch der Turnverein.

Die Besatzungsmächte hatten nach dem verlorenen Krieg das Machtwort.

Nicht unerwähnt möchte ich dabei lassen, dass eine ganze Reihe von jungen Sportlern im Krieg draußen geblieben sind, gefallen oder heute noch vermisst werden. Andere kamen

mit Verwundungen zurück.

Das Wirtschaftsleben lag am Boden - alles war auf dem Nullpunkt angelangt!

Am 02.September 1948, nach Aufhebung der von den Besatzungsmächten verhängten Vereinssperre, wurde durch erfahrene Männer des früheren Vereins zu einer Gründungsversammlung eingeladen. Der Turnverein sollte wieder erstehen und nach der Zwangspause neu beginnen.

Die „Wieder-Gründungsversammlung“ fand im Gasthaus „Lechelmayer“ in Sibratshofen statt.

Schon vorher wurde im kleinen Kreis ein Gründungsausschuss gebildet, der aus den alten Turnern Weber Wilhelm, Berghofer Hans, Schneider Karl, Salzgeber Max und Ruf Werner bestand.
Durch diese Männer wurde die Gründungsversammlung für den 02.September 1948 einberufen.
Karl Schneider eröffnete die Versammlung und Dr. Siegel, der Lehrer in Sibratshofen war und später Kreisschulrat wurde, gab einleitende Erläuterungen über den Sınn und Zweck der Sache sowie über den Vereinsaufbau. Die Versammlung begrüßte die Möglichkeit der Neugründung und gab ihr volles Einverständnis.

Daraufhin wurde durch einen Wahlausschuss die erste Vorstandschaft des neugegründeten Turn- und Sportvereines Seltmans-Sibratshofen in geheimer Wahl gewählt. |

Diese setzte sich wie folgt zusammen:

1.Vorstand Karl Schneider

2.Vorstand Albert Hueber Schriftführer Sepp Hug
Kassier Benedikt Hueber

Turnwart Wilhelm Weber

Sportwart Hans Berghofer jun.

Frauenturnwart Hans Berghofer sen.
Beisitzer Max Salzgeber

Das war der Neuanfang! Der Vereinsname wurde, wie vorhin schon erwähnt, auf
„Turn- und Sportverein Seltmans-Sibratshofen“ umbenannt.

Die Beteiligung der jüngeren Generation am Turn- und Sportbetrieb war sehr erfreulich. Auch die durch die Vertreibung aus den Ostgebieten bei uns heimisch gewordene Bevölkerung war relativ schnell integriert, auch im Vereinsleben.

Zum Leidwesen der Vereinsführung ließ der Eifer der Turner in den 50er Jahren etwas nach. Dies ist aus den Niederschriften der Turn- und Sportwarte ersichtlich. Ein Grund war auch der, dass kein geregelter Turn- und Sportbetrieb damals möglich war. Nicht zuletzt deshalb, weil in dieser Wirtschaftsaufbauzeit die Tag und Nacht durchlaufenden Arbeitsschichten der Papierfabrik oftmals über das Wochenende ausgedehnt wurden und dies mitunter viele Wochen lang.

Allerdings verzeichneten die alljährlichen Sportfeste einen großen Aufschwung. Der eigene Verein konnte große Mannschaften stellen und die Teilnahme von Turnern aus den umliegenden Vereinen sowie aus dem ganzen Allgäu war sehr erfreulich.

Im Jahre 1952 stiftete die Papierfabrik dem TSV eine neue Vereinsfahne.

Diese wurde im Rahmen eines Gottesdienstes auf dem Sportplatz feierlich eingeweiht. Anschließend wurde ein großes Sportfest mit starker Beteiligung seitens der Sportler und der Bevölkerung abgehalten. Es war ein großer, schöner und erfolgreicher Tag für den Verein.

Verständlicherweise wurde auch der kulturelle Bereich schon in den ersten Jahren angesprochen. Die Musikkapelle Sibratshofen spielte beim Aufmarsch der Turner bei den Sportfesten jedes Jahr und umrahmte auch die Siegerehrungen.

Von Anfang an gab es bereits im Fasching einen Turnerball im Zunfthaus, der von Jahr zu Jahr größeren Anklang fand. Die kleinen Turner erhielten in Nikolausfeiern kleine Geschenke, später wurde jährlich eine große Weihnachtsfeier mit Kindertheater und dergl. abgehalten. Die maskierte Turnstunde für Kinder im Zunfthaus wollte keines verpassen, es ging da Ja auch turbulent zu. Auf diesem Gebiet rührte sich also allerhand im Bereich unseres Vereines.

Tischtennisplatten wurden angeschafft und laufend erforderliche kleinere Geräte für den sportlichen Bereich. Man muss in Betracht ziehen, dass seinerzeit die finanziellen Mittel sehr begrenzt waren. Lediglich durch die Zuschüsse seitens der Papierfabrik , die allerdings auch nur mäßig flossen, konnte mancher Wunsch der Turn- und Sportwarte erfüllt werden.

Interessant ist auch, dass 1954 der damals bestehende private Schach-Club den Anschluss an unseren Verein in einer eigenen Abteilung suchte. Er wurde gerne aufgenommen. Später wurde oft festgestellt, dass die Schach-Sparte die stillste, aber immer eine der regsten Gruppierungen war.

1958 wurde bereits von der Notwendigkeit der Auflösung des bisherigen Sportplatzes gesprochen und 1960 musste er tatsächlich anderen Baumaßnahmen weichen. Allerdings ergab sich gleich nebenan die Möglichkeit für die Errichtung eines neuen.

Seitens der Papierfabrik und der Gemeinde Weitnau wurden die erforderlichen maschinellen Vorarbeiten für diesen Platz geleistet und die Vereinsmitglieder übernahmen die sportgerechte Feinarbeit der Anlagenerstellung. Im Rahmen eines großen Sportfestes wurde die Einweihung dieses neuen Platzes gefeiert.

1960 ist auch die alte Turnhalle im Bereich des Fabrikgeländes durch Abriss ganz verschwunden. Neubauten in der Industriezone machten dies erforderlich.

Der turnerische und leichtathletische Betrieb des Vereins war in all diesen Jahren - wie auch im Winter die Skiabteilung - sehr rege. Die alljährlichen Tätigkeitsberichte der Spartenleiter, angefangen von den Kleinen bis zu den Altersklassen in weiblichen und männlichen Disziplinen, machen dies ersichtlich.

Sicher gab es Schwankungen in den Teilnehmerzahlen beim Sport wie überall. Beachtenswert ist aber, dass auf allen Sektoren immer wieder neue, herausragende Talente im Turn- und Sportbereich sich herauskristallisierten, sodass auch bei auswärtigen Wettkämpfen große, zum Teil überragende Erfolge erzielt werden konnten.

Ohne einzelne Namen zu nennen, gebührt diesen unsere Anerkennung, denn sie bürgten mit ihren Leistungen für unseren Verein nach außen hin.

In den 60er Jahren, mit der seinerzeit florierenden Papierfabrik, waren viele Neuzuzüge in der Bevölkerung zu verzeichnen. Dementsprechend hat der Verein auch Werbeaktionen vorgenommen .

1964 wurde eine Judogruppe gegründet welche bei der Jugend bald einen sehr regen Zuspruch fand. Auch bei auswärtigen Wettkämpfen erzielten sie im Laufe der Jahre große Erfolge.

1969 wurden neue Fußballtore auf dem Sportplatz erstellt mit entsprechenden Absicherungen zur Kreisstraße.

1971 richtete unser Verein den ersten - damals in Wanderkreisen groß aufgekommenen - Volkslauf aus. Dieser bekam von Jahr zu Jahr größeren Zulauf. Mehrmals konnten über 1500 Teilnehmer gezählt werden.

Allerdings, im Jahre 1983, wurde diese alljährliche Veranstaltung abgesetzt. Der Grund war mangelndes Interesse von Seiten der Bevölkerung, sich laufend an auswärtigen Volksläufen zu beteiligen, die fast wöchentlich stattfanden. Die anderen kamen zu uns, wenn wir auch zu ihnen gingen. Und so sank die Teilnehmerzahl von Jahr zu Jahr.

Bei diesem Trend wären in absehbarer Zeit finanzielle Verluste unausweichlich gewesen.
1971 wurde das „Er & Sie-Turnen“ (später „Jedermann-Turnen‘“) begonnen.
Diese Sparte fand bald großen Zuspruch und hat sich bis heute - also 26 Jahre - gehalten. Im Sommer wird gewandert, geradelt und Touren gemacht. Vielseitig ist dann die Gymnastik im Winter in der Turnhalle in Weitnau, früher im Zunfthaus in Seltmans. Gerade die nicht mehr ganz junge Generation ist davon begeistert.

In Jahre 1972 konnte unser Vorstand, Willi Weber, erreichen, dass das große „Altersturnfest des Turngaues Allgäu“ von unserem Verein ausgerichtet werden konnte. Abgehalten wurde es auf der Sportanlage in Weitnau. 364 Teilnehmer waren zu verzeichnen. |
Wir verbanden dieses Fest gleichzeitig mit unserem „S0-jährigen Vereinsjubiläum“ das am gleichen Tag mit einem Festabend gefeiert wurde und zwar im Saal des Gasthauses „Adler“ in Weitnau.
Es war ein schöner, großer Tag und der Abend wurde von der Musikkapelle Sibratshofen feierlich umrahmt.

Bei der Generalversammlung im November 1972 waren wir alle sehr besorgt über die Zukunft unseres Vereines. Die Papierfabrik Seltmans wurde durch den Konzern stillgelegt. Viele Mitglieder unseres Vereines wanderten mit ihren Familien verständlicherweise von Seltmans ab. Die Stimmung war allgemein deprimierend, auch in unserem Verein.

Wie wird es weitergehen? Die Mitgliederzahlen verringerten sich. Zuzüge neuer Bürger Waren wohl zu verzeichnen, aber die Integration erforderte Zeit.

Doch die verbliebenen alten Vereinsmitglieder standen zusammen in dieser Periode und der Turn- und Sportbetrieb lief weiter.

Die Sportfeste bis in die 80er Jahre und später nahmen teilnehmermäßig zu. Nach Möglichkeit wurden diese Wettkampftage mit einem Sommernachtsfest verbunden.

Die Resonanz war sehr erfreulich, wurde doch Schauturnen und ähnliche Vorführungen gezeigt. Des Weiteren spielte die Musikkapelle Sibratshofen auf, sodass es schöne, gemütliche Abende mit starker Beteiligung der Bevölkerung wurden.

Bemerkbar machten sich in dieser Zeit auch die geburtenstarken Jahrgänge in den 60er Jahren durch größeren Zulauf zum TSV. Alle Sparten hatten Neuzugänge zu verzeichnen und die Beteiligung am Turngeschehen - vor allem der Jugend - zeigte wieder steigende Tendenz.

Bedauerlicherweise wurde uns im Jahre 1979 die seit Jahrzehnten gegebene Möglichkeit der Zunfthaus-Benützung für turnerische Zwecke gekündigt, nachdem die Fabrikanlage wieder in andere Hände übergegangen ist. So bedauerlich es war, wir mussten uns damit abfinden - die Zunfthaus-Ära war endgültig vorbei.

Die Suche nach einer Ersatzmöglichkeit war der Grund unseres Vorstoßes beim Markt

Weitnau, in der Turnhalle in Weitnau ein Belegungsrecht zu bekommen, welches uns auch zugesagt wurde.

1986 wurde mit dem Bau der vorgesehenen gemeindeeigenen Freizeitanlage in Seltmans begonnen. Damit war auch ein Allwetterplatz für sportliche Veranstaltungen verbunden.

Unser Verein erhielt die Möglichkeit, eine Weitsprung- und Kugelstoßanlage für unseren Verein zu erstellen. Die Gemeinde übernahm dabei die nötigen Baggerarbeiten, alle weiteren Leistungen - Ausbau der Anlagen durch Einarbeit und Beschaffung des erforderlichen Materiales - blieb unserem Verein überlassen. Mit vielen freiwilligen Helfern konnte diese Arbeit gemeistert werden. Die nicht unerheblichen Beträge für das erforderliche Material wurden aus der Vereinskasse entnommen.

Bei der Generalversammlung im November 86 stellte sich unser hochverdienter Vorstand, Willi Weber, nach 20jährıger Leitung unseres Vereines nicht mehr zur Wahl des 1.Vorstandes. Obwohl sein Abtreten bedauerlich war, mussten wir für seine Entscheidung Verständnis aufbringen.

In Würdigung seiner großen Verdienste - schließlich war er Gründungsmitglied, 64 Jahre aktiv im Verein tätig als Turnwart, Sportwart, Gerätewart und dann noch 20 Jahre erster Vorstand - wurde ihm von den Vereinsmitgliedern von Herzen gedankt und gleichzeitig zum Ehrenvorstand ernannt.

Wir müssen eingestehen, dass Herr Willi Weber, seit Bestehen des Vereines wohl am meisten für ihn geleistet hat und er irgendwie „die Seele des Vereines“ war. Ihm gebührt größte Hochachtung!

Im September 1987 übergab im Rahmen eines feierlichen Festaktes unser Herr Bürgermeister Freytag den Vereinen im Gemeindegebiet Weitnau die neue Freizeitanlage

in Seltmans. Durch Geistl. Rat Otto Wiedemann und Pfarrer Josef Hutzmann erhielt der Platz nach einem feierlichen Gottesdienst den kirchlichen Segen.

Die Anlage mit einem Hartplatz, der den neuesten Erkenntnissen entspricht, einem Eisstockplatz, einem Rasen-Trainingsfeld, Anlagen für Leichtathletik, einem Umkleidegebäude mit Gymnastikraum und einem Zeltplatz stellt für die Gemeinde Weitnau - aber auch für unseren Turn- und Sportverein - eine erhebliche Verbesserung des Sportangebotes dar.

Für unseren Verein nahm mit der Inbetriebnahme dieser Sportanlage das ganze Vereinsgeschehen einen anderen Lauf. (Der alte - vierte - Sportplatz musste im Badbereich erneut aufgegeben werden.) Dank dieser Freizeitanlage konnten wir aber den vollen Vereinsbetrieb - einschließlich Gymnastikraum - wieder aufnehmen.

Alle Sportbegeisterten waren erfreut über die uns nun gebotenen neuen Möglichkeiten.
Der Dank des TSV Seltmans-Sibratshofen gilt auch heute noch der Marktgemeinde Weitnau, Herr Bürgermeister Freytag und seinen Gemeinderäten, die diese schöne Anlage geschaffen haben.
Der Turn- und Sportbetrieb in den 80er und 90er Jahren war im Allgemeinen immer gut. Die aufgeschlossene jüngere Generation interessiert sich natürlich durch das umfangreiche, weitgefächerte Angebot neuer Sportarten - welche durch das Fernsehen und anderen Massenmedien nahegebracht werden - zunehmend für neue Sportmöglichkeiten.

Neu begonnen wurde mit dem Eisstockschießen, welches schon in kurzer Zeit großen Anklang fand. Nach zweijährigem Training wurde bereits die Teilnahme bei der Verbandsrunde angemeldet. Mit wachsender Begeisterung wurden immer mehr und sehr beachtliche Erfolge bei Turnieren erzielt. Die neue Sparte wurde dadurch eindeutig zum Aushängeschild des Vereines - zumal die anderen Gruppierungen ja nur intern aktiv waren. Seit 2 Jahren besteht nun auch die neue Gruppe „Familien-Ski-Gymnastik“ mit gut frequentiertem wöchentlichen Training im Gebäude der Freizeitanlage.

Bereits seit 10 Jahren besteht nun schon die „Gymnastik für ältere Damen“ wie auch eine für „Jüngere Damen“. Überaus guten Zulaufes erfreute sich jahrelang die „Callanetics-Gruppe“ bis vor einem halben Jahr das Interesse stark nachließ, weshalb momentan pausiert wird. Ebenso ruht derzeit das „Männerturnen“. Sehr aktiv gestaltet die „Mutter-Kind-Gruppe“ ihre wöchentlichen Stunden.

Zur Vorbereitung auf den „Kinder-Skitag“ wird von der „Ski-Abteilung“ jeweils ein vorbereitendes Training abgehalten.

Zeitweise sind in den letzten Jahren 10 Riegen bzw. Sparten aktiv gewesen.

Bei den Leichtathletik-Wettkämpfen zeichnete sich in den letzten Jahren der Trend in Richtung Großveranstaltung ab. Solche profimäßigen Veranstaltungen können wir aus personellen Gründen und fehlender technischer Einrichtungen nicht realisieren.

Dies mussten wir auch bei den letzten Sportfesten unseres Vereines feststellen, weil sich die Teilnehmerzahl in relativ kurzer Zeit immer mehr verringerte.

Die Zahl der Amateur-Leichtathleten wird immer geringer und die ganz aktiven Vereine besuchen nur noch namhafte Veranstaltungen. - Jedoch sind zur Zeit in unserem Verein ernsthafte Bestrebungen im Gange, dem entgegenzuwirken. Wir sind daran, mit Hilfe junger, aktiver Sportler dıe Leichtathletik am eigenen Ort wieder aufzubauen.

Im Januar 1995 musste der TSV einen Tiefschlag hinnehmen.

Die Mitteilung des Abteilungsleiters für Eis- und Asphaltstock, dass seine Gruppe sich vom TSV trennen und einen eigenen Verein gründen werde - traf uns wie ein Schock.

Die Stockschützen sind in ihren Anfängen 1989 im Verein als neue Sparte entstanden und alle freuten sich über ihren Aufschwung. Seitens des TSV wurden sie mit nicht unerheblichen Mitteln unterstützt. Ihre Popularität und Erfolge rechtfertigten diese

Ausgaben. Umso mehr traf die Entscheidung der Stockschützen die Vorstandschaft, weil es nie

Unstimmigkeiten oder Differenzen gab. Der Spartenleiter hatte immer freie Hand. Vermittlungsgespräche blieben leider ohne Erfolg - und somit ging die Eıs- und Asphaltstock-Mannschaft ihre eigenen Wege. So leid es uns tut, dieser Wermutstropfen musste geschluckt werden.

Es hat sich aber gezeigt, dass von: vielen Ortsansässigen unser Verein hochgehalten wird und ein entsprechend großes Interesse an sportlicher Betätigung vorhanden ist. In der ständigen Steigerung der Angebotspalette und mehr Attraktivität in den einzelnen

Sparten spiegelt sich doch das Bemühen des Vereines vor allem in den steigenden Mitgliederzahlen wider.

So hat sich die Mitgliederzahl in den letzten 10 Jahren verdoppelt, auf fast 300 Mitglieder. Natürlich erfordern die künftigen Perspektiven im Verein immer wieder neue Wege. Man wird sich daran halten müssen.

Durch die Initiative junger Menschen wurde erfreulicherweise im letzten Jahr wieder eine neue Gruppe gebildet, nämlich ganz im Trend der Zeit: „Jazz-Tanz“.

Die Anzahl der Teilnehmer ist z. Zeit für diese Formation aufgrund der Raumgröße im Gebäude der Freizeitanlage begrenzt. Zu unserer Freude dürfen wir im Laufe dieses Festabends noch eine Kostprobe ihres Könnens erwarten.

Wir wünschen dieser neuen Gruppe viel Erfolg und Freude für die Zukunft.



Nun komme ich zum Schluss dieser Vereins-Chronik:

Wenn ich Ihnen die Namen all derer bekanntgeben wollte, die sich in irgendeiner Form seit dem Neuanfang 1948 um den Verein verdient gemacht haben, wäre dies eine unendliche Zahl. Ich bitte um Verständnis, wenn ich deshalb Abstand davon nehme.

Das hält mich aber nicht davon ab, Ihnen wenigstens die jeweils 1.Vorsitzenden zu nennen, in deren Händen die Vereinsführung zeitweise lag:

von 1948 - 1960 Karl Schneider 12 Jahre

von 1960 - 1966 Toni Hiemer 6 Jahre

von 1966 - 1986 Willi Weber 20 Jahre
von 1986 bis heute Erhard Spatscheck 11 Jahre

Wir wissen alle, dass es mit den Vorsitzenden allein in einem Verein nicht getan ist, sondern dass im Laufe der Jahre eine große Zahl von Mitgliedern sich in den verschiedensten Funktionen und Aufgaben dem Verein zur Verfügung stellen musste und dies auch taten.

Denken wir dabei an alle gewählten Vorstandsvertreter, an die Schriftführer, Kassiere, Beisitzer vor allem auch an die Turn- und Sportwarte, Skiwarte, der Leiter der Schachabteilung, der Judogruppe, der verschiedenen Gymnastikgruppen, Callanetics, der Mountainbiker, der Mutter-Kind-Gruppe und jetzt wieder der „Jazz-Tanz-Gruppe“.

Ohne der Tatkraft all dieser hier nicht persönlich hervorgehobenen Frauen und Männer hätte der TSV nicht existieren können - und er braucht sie auch in Zukunft. Das wissen wir alle.

Deshalb gebührt heute - beim „75-jährıgen Vereinsjubiläum“ all diesen, die sich in irgendeiner Form um den TSV Seltmans-Sibratshofen verdient gemacht haben - ob in der Vergangenheit oder in der Gegenwart - unser größter Dank und Anerkennung.

Mögen sie dem Verein auch weiterhin die Treue bewahren.

Ich wünsche dem Turn- und Sportverein Seltmans-Sibratshofen für die Zukunft viel Erfolg, guten Zusammenhalt - und dass er weiterhin die Aufgaben zu erfüllen vermag, die er sich selbst ın seiner Satzung gestellt hat.

Glückauf für die Zukunft!

Benedikt Hueber